Früher war er Fussballer beim FC Nottwil. Bis zum D-Junior kickte Sven Schurtenberger am Sempachersee. «Die Freude war nicht mehr vorhanden. Ich suchte einen Einzelsport und bin durch einen Nachbar zum Schwingen gekommen. Ich begann erst mit 14 Jahren, üblicherweise beginnt man im Alter von 8 bis 10 Jahre damit». Eingebüsst hat Schurtenberger aber nichts davon. «Ich habe zu Anfangszeiten bis zu 20 Schwingfeste besucht. Heute sind es vielleicht noch 12 oder 13 Feste in der Saison. Man muss auch Prioritäten setzen und in der Planung wird genau definiert, welche Feste man besucht.»
«Im Dorf angesprochen»
Unerkannt bleibt auch ein Spitzenschwinger nicht. Egal, wohin er geht, gesehen wird man immer. Kaum war das Interview mit dem Journalisten des Anzeigers vom Rottal beendet, war Schurtenberger beim Autogramme schreiben gefragt. «Das ist auch das Schöne und schätze ich auch sehr, der persönliche Kontakt. Ich werde im Dorf gegrüsst oder angesprochen auf den Schwingsport. Auch jetzt hier im Flüss, wo wir das Interview machten, wird man bemerkt. Von den kleinen und grossen Schwingfans», so der gebürtige Nottwiler. «Der Schwingsport ist nach wie vor beliebt. Es ist ein Sport, der viele Menschen zu begeistern weiss. Wir erlebten in den letzten Jahren einen Boom. Sicher auch dank den Medien, die über den Schwingsport berichten und auch immer wieder Schwingfeste live zeigen.»
«Wettkämpfe sind wichtig»
Der 190 Zentimeter grosse und 130 Kilogramm schwere Schurtenberger, der in der Schweikhüsere in Buttisholz lebt und den Beruf des Zimmermanns erlernte, wirkt ruhig und entspannt. «Eigentlich wäre ich jetzt gerade an einem Schwingfest. Doch die Zeiten mit Corona haben sich auch für mich komplett verändert. Auch die Wettkampfsaison, auf die ich mich gut vorbereitet habe und freute, fehlt mir. Wie es weiter geht, wissen wir Schwinger nicht. Momentan sind wir etwas planlos, denn wir können im Sägemehl auch nicht trainieren. Der Geschmack des Sägemehls fehlt.» Grund: Da Schwingen nicht dem Profisport zugeordnet wird, können auch keine Trainingseinheiten im Sägemehl mit Zweikämpfen durchgeführt werden. «Ich trainiere einfach individuell bis zu 13 Stunden in der Woche. Muskelkraft und Kondition sind wichtig. Doch auch der Wettkampf muss irgendwann wieder stattfinden, denn man muss Schwingen können, wenn man fitbleiben will. Das Wettkampfverhalten zu trainieren ist wichtig für den Körper.» Für den 28-Jährigen, der im Bereich der Fundamenttechnik in Sursee zu 60 Prozent arbeitet, steht aber jetzt schon klar: «Meine Saison ist für dieses Jahr zu 99 Prozent gelaufen. Ich rechne nicht damit, dass ich noch Wettkämpfe bestreite. Im September und Oktober werde ich, sofern wieder möglich, keine Schwingfeste mehr besuchen, das Risiko einer Verletzung wäre mir zu gross.»
Zusammenkünfte der Spitzenschwinger
Trainieren tut der Rottaler, der Mitglied beim Schwingklub Rottal und Umgebung ist, vorwiegend in Willisau und Sursee. «Wir organisieren hier regelmässig Zusammenkünfte, wo wir auf hohem Niveau miteinander schwingen können. Da kommen Spitzenschwinger aus den verschiedensten Regionen, wie beispielsweise aus dem Entlebuch, Bernbiet oder der Nordwestschweiz. Wenn ich weiterhin an der Spitze mitschwingen will, ist das einfach ein Muss für mich». Und was verbindet den Nottwiler mit seinem Club, dem Schwingklub Rottal und Umgebung? «Ich freue mich jeweils, wenn ich beim Rottal-Schwinget starten kann oder bei einem SchnupperSchwingertag in Ruswil dem interessierten Nachwuchs das Schwinger-Abc vermitteln darf. Das ist auch eine Herzenssache, denn hier habe ich meine Wurzeln, wo meine Karriere einst begann.»
Jubiläumsschwingen im Fokus
Schurtenbergers Fokus richtet sich bereits auf die neue Saison (Mai bis September) im nächsten Jahr, wo unter anderem das Jubiläumsschwingen in Appenzell stattfindet. Anlass ist das 125-Jahr-Jubiläum des eidgenössischen Schwingerverbandes. «Dieser Wettkampf habe ich sicher auch in der Planung, denn es werden die 120 besten Schwinger am Start sein, dementsprechend ist auch das Niveau hoch.» Das Fest war am 30. August 2020 geplant gewesen, musste aber wegen der Coronakrise nun um ein Jahr verschoben werden. Auch das Kilchberg-Schwinget steht im kommenden Jahr im Fokus, dort werden 60 Schwinger am Start sein und das Niveau dementsprechend hoch. Schurtenberger, der am Sempachersee aufwuchs, wird die Saisonplanung 2021 mit seinem Management (Jörg Häller/ Mirko Cortese) besprechen. «Wir sitzen Ende Jahr zusammen, besprechen was für mich das Beste ist und welche Schwingfeste interessant sind. Klar ist, dass im 2021 die Vorbereitungen auf das Eidgenössische in Pratteln im Jahr 2022 beginnen.»
«Ich bin ein geselliger Typ»
Welches ist das schönste Schwingfest? «Ich gehe sehr gerne auf die Rigi. Auf dem Berg zu schwingen, ist ein Erlebnis. Die Natur, die Aussicht, unbeschreiblich. Auch die Stimmung ist einmalig. Man hat das Schwingvolk vor dem Sägemehlring, kann sich aber auch nach dem Wettkampf zurückziehen, wenn man Ruhe will.» Und wo herrscht jeweils die beste Stimmung? «Bei den kantonalen Anlässen oder beim Innerschweizerischen spürt man die Fans hautnah, es ist alles sehr familiär. Es ist sehr laut, das bekommst du als Schwinger mit. Bei einem Eidgenössischen sind viele Leute im Stadion, aber die Stimmung ist eine andere.» Gerne trifft sich Schurtenberger nach den Schwingfesten mit seinen Fans. «Ich bin ein geselliger Typ und habe gerne Leute um mich herum. Ein Schwatz mit Fans und Sponsoren liegt immer drin.»
«Ich esse sehr gerne»
Wie steht es um die Ernährung? «Ich habe einen Ernährungsberater. Ich esse sehr gerne und muss schon aufpassen. Nur schon wenn ich den Kühlschrank öffne, nehme ich zu», er lacht. «Ich brauche die Energie im Körper, darf aber nicht zu schwer werden. Ich versuche unter der Woche sehr diszipliniert zu sein, damit ich dann am Wochenende mal etwas sündigen kann und ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.» Gar kein Thema ist Alkohol. «Das ginge gar nicht. Ich würde das auch nicht vertragen, respektive die Leistung würde nicht mehr stimmen.»
«Wir halten zusammen»
Der Nottwiler bezeichnet sich als emotionaler Mensch: «Ich zeige meine Freude, aber auch die Enttäuschung.» Neid und Missgunst, das kennt Schurtenberger nicht. «Gerade bei grösseren Schwingfesten halten wir auf kantonaler Ebene zusammen. Deshalb verstehe ich mich mit dem Spitzenschwinger Joel Wicki auch sehr gut. Wir trainieren auch zusammen und tauschen uns aus. Wir geben uns auch Tipps.» Schurtenberger, der in seiner Karriere bereits an drei eidgenössischen Schwingfesten (Burgdorf, Estavayer und Zug) teilnahm, hatte als sein Vorbild Martin Grab genannt. Der Schwinger aus Rothenturm stand Schurtenberger zwei Mal im Sägemehlring in einem Wettkampf gegenüber: «Das sind Momente, die bleiben und nicht mehr vergessen werden, wenn man gegen sein Idol schwingen kann.» Grab gilt als einer der erfolgreichsten Schwinger, unter anderem zieren sein Palmares 7 eidgenössische Kränze. Schurtenbergers grösster Fan ist wohl sein achtjähriger Göttibub. «Er ist der Sohn meines Bruders und Teil meiner Familie. Ich habe eine spezielle Beziehung zu ihm. Er besucht viele Schwingfeste, was ich sehr schätze. Generell ist die Familie eine grosse und wichtige Stütze für mich».
Freud und Leid
Was waren Schurtenbergers (47 Kränze; davon 2 Eidgenössische) schönste Momente im Schwingsport? «Die Teilnahmen an den Eidgenössischen, aber auch der erste Kranzgewinn im 2009 in Baar beim innerschweizerischen Schwingfest waren Erlebnisse.» Unvergesslich geblieben ist auch das Schwingfest im 2015 auf der Rigi, als sich Schurtenberger mit Adi Laimbacher duellierte. «Nach dem Schwingfest verkündete der Spitzenschwinger mit 105 Kränzen seinen Rücktritt. Ich war der letzte Schwinger, der sich mit dem Schwyzer duellierte. Speziell war, dass unser Kampf für eine halbe Stunde unterbrochen werden musste. Wir haben uns die Köpfe zusammengeschlagen und mussten verarztet werden.» Enttäuschungen? «Ich verpasste beim Kantonalen in Willisau 2019 und Hohenrain 2018 die Festsiege jeweils sehr knapp. Das wurmt einem schon, wenn man so nah am Sieg ist.» Verletzungen hatte der Spitzenschwinger noch keine zu beklagen: «Ich musste im letzten November die Hüfte operieren. Ich bin schmerzfrei und es geht mir gut.»
Sponsorenanlass geplant
Auch wenn der Schwingsport dieses Jahr kein grosses Thema mehr wird, versucht Schurtenberger im Herbst oder Winter einen Sponsorenanlass zu organisieren: «Das Treffen, dieser Austausch, finde ich sehr wichtig. Hier kann ich meine Sponsoren wieder aus erster Hand informieren, wie es weiter geht. Die Unternehmer lernen sich aber auch kennen und können voneinander profitieren.» Schurtenberger hat auch eine eigene Internetseite (www.svenschurtenberger.ch). «Wer an der Spitze mitschwingen will, muss professionell aufgestellt sein in jeder Hinsicht: auf- und neben dem Sägemehlring.»