0.02 Prozent Sehleistung – so viel sieht Edgar Luterbach gemäss den Ärzten noch. «Das ist der Wert, wenn man eigentlich nichts mehr messen kann», sagt er. Trotzdem bringt ihm der kleine Rest seines Augenlichts etwas: An seinem Gegenüber erkennt er helle Kleidung, er nimmt ein weisses Papier auf dem Pult wahr oder eine eingeschaltete Lampe.
So bewegt er sich auch routiniert durch die Räume der CKW, jedoch stets den weissen Stock vor sich herschwenkend. Sitzt er dann am Arbeitsplatz im Grossraumbüro, fällt nur durch den ausgeschalteten Bildschirm auf, dass ein Blinder E-Mails schreibt und Zahlen verbucht.
Das Video zeigt, wie der 27-Jährige den Computer mit seinem Gehör bedient und wie er in der Kaffeepause auch mal vergessen geht.
Die Funktion hat man beim Energieunternehmen extra für ihn geschaffen. «Als grosses Glück» bezeichnet es Edgar, dass er in der Arbeitswelt Fuss fassen konnte. Er arbeitet 70%, teils von zu Hause, sonst im Büro. Dann holt ihn der Rotkreuz-Fahrdienst zu Hause ab und bringt ihn nach Rathausen.
Dank technischer Hilfsmittel kann er den Computer bedienen, ohne die Zahlen zu sehen. Ein Programm liest Edgar vor, was auf dem Bildschirm angezeigt wird. Dies mit so grosser Geschwindigkeit, dass es sich für Ungeübte wie eine kryptische Fremdsprache anhört.
In den Ohren von Edgar tönt dieser Artikel hier dann so:
Im Alter von 18 Jahren musste der Hellbühler lernen, ohne den wichtigen Sehsinn auszukommen, als eine seltene Autoimmunerkrankung seine Sehnerven angriff. Auch viele Spitalaufenthalte, Untersuche und Medikamente halfen nicht.
Eben erst volljährig geworden, kämpfte Edgar Luterbach damals mit grossen psychischen Problemen und existenziellen Fragen. Unterstützung fand er bei seiner Familie und seinem grossen Umfeld. Dank seiner unkomplizierten und offenen Art fand Edgar auch als Blinder wieder Anschluss an die Gesellschaft. Auch weil er für seine Kollegen «nie der Blinde, sondern immer noch der Edgar» war und sie ihn überall hin mitnahmen.
Dazu gehören auch die Spiele des FC Luzerns. Fast jedes Heimspiel besucht der grosse Fan, stets am gleichen Platz auf der Stehplatztribüne, mitten in der jubelnden Menge.
Etwa so sieht Edgar laut seinen Beschreibungen, wenn er im Stadion steht:
Auch wenn er nicht mit den Augen mitbekommt, was auf dem Rasen läuft – Edgar geniesst die Atmosphäre, die Geräuschkulisse und die Gesänge auf der Luzerner Allmend. Und ebenso wichtig ist ihm das Zusammensein mit seinen Kollegen, das Sprücheklopfen und das Anstossen auf Sieg oder Niederlage.
Welches Bild sich in sein Gedächtnis eingebrannt hat, ob er die Tore kommen hört und wie er sich über blinde Schiedsrichter lustig macht, lesen Sie im Porträt «Edgar – der blinde Zuschauer» in der aktuellen Ausgabe des Anzeiger vom Rottal.