Letzten Freitagabend traf sich die Ruswiler Eulogius-Bruderschaft, also die Bruderschaft der Schmiede, im Steinsaal des Pfarrhofes zur Aufnahme von neuen Mitgliedern. Bisher zählte die Bruderschaft vierzehn Mitglieder, inklusive Gattinnen, darunter auch den amtierenden Regierungsrat Robert Küng, seines Zeichens gelernter Schlosser – «ich bin das lebendige Beispiel für die Chancen, die das Schweizer Berufsbildungssystem bietet», erzählte Robert Küng später beim Apéro.
Doch auch in früheren Jahrhunderten bot das Schmiedehandwerk ausgezeichnete Perspektiven, wie Werner Wandeler, Historiker und Archivar der Gemeinde und der Kirchgemeinde, zu Beginn des Anlasses anhand von Zeitdokumenten erläuterte. Während Jahrhunderten war Ruswil ein bedeutendes kirchliches, politisches und gewerbliches Zentrum und bis 1870 sogar die bevölkerungsreichste Gemeinde des Kantons hinter der Stadt Luzern. Wirtschaftlicher «Treiber» war hauptsächlich die starke und kaufkräftige Landwirtschaft. Noch 1875 gab es zum Beispiel 26 Käsereien, 10 Mühlen und eben auch 10 Hufschmiede, einen Nagelschmied und einen Schlosser, die in der Eulogius-Bruderschaft vereinigt waren. Die Bruderschaft hatte wirtschaftliche, gesellschaftliche und religiöse Ziele. Ein recht rigides Reglement bestimmte, wer welche Arbeiten ausführen durfte. Anno 1544 war es zum Beispiel dem Schlosser Bering in Werthenstein untersagt, die Pferde der Pilger, welche wegen der «Rüche» des Weges ins Kloster hinauf die Hufeisen verloren, neu zu beschlagen, es musste dazu ein Hufschmied aus Malters oder Wolhusen aufgeboten werden. Sogar der Kundenkreis jedes Schmieds war festgelegt, der Wechsel eines Kunden zu einem anderen Schmied war nur unter bestimmten Bedingungen möglich.
Bemerkenswert: Die Frauen der Schmiede waren seit jeher und bis heute nicht nur schmückendes Beiwerk bei gesellschaftlichen Anlässen, sondern geschätzte Mitglieder, auch noch als Witwen! Da aber die Bruderschaft, wie schon der Name andeutet, nicht nur wirtschaftliche und gesellschaftliche, sondern auch religiöse Bedeutung hatte, waren immer auch Vertreter der Geistlichkeit zur spirituellen Begleitung dabei.
Schutzpatron der Schmiede ist der heilige Eulogius. Warum? Eulogius lebte im 7. Jahrhundert, erlernte das Goldschmiede-Handwerk und war Schatzmeister der Merowingerkönige Chlothar und Dagobert. Nach Dagoberts Tod liess er sich zum Priester weihen und wurde später Bischof von Tours. Nach der Legende soll Eulogius, bevor er Goldschmied wurde, ein ausgezeichneter Hufschmied gewesen sein. Eines Tages, nachdem er ein Pferd beschlagen hatte, kam ein Fremder zu ihm. Dieser lobte seine Arbeit, schlug ihm aber eine leichtere Methode vor. Man brachte dem Fremden ein Pferd, er schlug dessen Bein ab, brachte das Hufeisen an und setzte das abgeschlagene Bein wieder an. Eulogius wollte es ihm gleichtun, aber natürlich gelang es ihm nicht – der Fremde musste es vollbringen, und so erkannte Eulogius Gott den Schöpfer in ihm und begriff, dass ihm eine Lehre der Demut erteilt worden war. Eulogius wird meist als Bischof dargestellt, der aber in einer Hand einen frisch beschlagenen Pferdefuss hält – so auch in der Pfarrkirche Ruswil, gleich rechts neben dem Chor. Im Reglement der Eulogius-Bruderschaft ist festgehalten: «Alljährlich auf Sankt-Eulogius-Tag, den 25. Juni, soll das Jahrzeit für die lebenden und verstorbenen Mitglieder der Bruderschaft gehalten werden. (…) Alljährlich wird, wie von jeher, im Gesellschaftshaus zur Linde eine angemessene Mahlzeit gehalten (…)».
Im zwanzigsten Jahrhundert ging die Bedeutung der Bruderschaften rapide zurück. Die Eulogius-Bruderschaft hatte 1927 noch ein einziges Mitglied, nämlich Franz Wandeler, Grossvater des kürzlich verstorbenen Schmiedemeisters Julius Wandeler. In den dreissiger Jahren erfolgte eine Reaktivierung. Am letzten Freitag nun, nach der Besichtigung der Schriftstücke im Pfarrhof und der Eulogius-Statue in der Kirche, dislozierte die Bruderschaft ins Rössli zum Imbiss. Dort nahm Hans Buchmann, der 83-jährige amtierende Pfleger der Eulogius-Bruderschaft, die neuen Mitglieder Alfred und Anita Ineichen Zemp, Franz und Helen Wermelinger-Budmiger sowie Peter und Cornelia von Moos-Jans feierlich in die Bruderschaft auf. Diese hat somit einen Generationenwechsel vollzogen, der den Fortbestand der historischen Gesellschaft gewährleistet.