Christof Spöring, ist Ihnen ein Stein vom Herzen gefallen, als bekannt wurde, dass das vorläufig unterbrochene Qualifikationsverfahren wieder aufgenommen wird?
Das kann man so sagen. Ich begrüsse das Ja von Bund und Kantonen zur Durchführung der praktischen QV-Prüfung. Dass die eidgenössischen Fähigkeitszeugnisse und Berufsatteste vergeben werden können, ist für die Lernenden sehr wichtig. Sie haben sich zwei bis vier Jahre intensiv auf den grossen Moment vorbereitet und wollen das Gelernte nun unter Beweis stellen. Die Beurteilung durch die Experten gibt ihnen zudem die Gewissheit, im Berufsleben bestehen zu können. Dass man beim QV auf die Theorie-Prüfungen bei den Berufskenntnissen und in Allgemeinbildung verzichtet, macht ebenfalls Sinn. Hier stehen genug Schulnoten zur Verfügung, um das Leistungsniveau der Lernenden zu bewerten.
Wie sieht denn nun die praktische Prüfung aus?
Das variiert von Branche zu Branche. Die einen führen die praktische Prüfung – in einer leicht angepassten Form und unter Einhaltung aller Hygiene- und Abstandsregeln – im Lehrbetrieb durch. Das gilt zum Beispiel für die Informatiker, die Bäcker und die Multimediaelektroniker. Andere wie die Maurer, Carrossiers oder Coiffeure absolvieren die Prüfung an einem zentralen Ort. Jene Berufsverbände, die das Einhalten der Sicherheitsvorschriften aus personellen oder logistischen Gründen nicht garantieren können, dürfen eine dritte Variante wählen. Dabei beurteilt der Lehrbetrieb alle berufspraktischen Kompetenzen, die in der Bildungsverordnung beschrieben sind, ohne dass eine Prüfung durchgeführt wird. So machen es beispielsweise die Kaminfeger, die Fachleute Betriebsunterhalt und die Strassenbauer. Ebenso die Lernenden aus der Gesundheitsbranche, deren Prüfung eine physische Präsenz erfordert, die aufgrund des hohen Pflegebedarfs in den Spitälern und Alterszentren zurzeit unmöglich geleistet werden kann.
Die einzelnen Berufsverbände haben bis zum 17. Juli Zeit, ihre QV-Noten einzureichen. Heisst das, dass es dieses Jahr keine QV-Feiern geben wird?
Das muss noch mit den Berufsverbänden abgesprochen werden. Es hängt allerdings auch davon ab, wann der Bundesrat grünes Licht für Grossveranstaltungen dieser Art gibt.
Wegen der Schliessung der Berufsfachschulen findet der schulische Ausbildungsteil zurzeit via Fernunterricht statt. Wie läufts?
Gemäss einer ersten Umfrage ist die Zufriedenheit mit dem Fernunterricht hoch. Die Lehrpersonen attestieren den Lernenden grosses Engagement, und diese fühlen sich von den Lehrpersonen gut betreut. Das erfreuliche Resultat hat sicher auch damit zu tun, dass der Kanton Luzern bei Ausbruch der Krise in Sachen Digitalisierung im Unterricht schon weit fortgeschritten war. 2014 haben wir alle Schulhäuser mit WLAN ausgerüstet und die meisten Lernenden nutzen schon länger ihr eigenes Gerät.
Wie wird Corona die Berufsbildung langfristig verändern?
Durch den Fernunterricht erwerben die Lehrpersonen enorme digitale Kompetenzen. Die bereits vorhandenen Tools werden nun deutlich besser und zielgerichteter genutzt. Diese Entwicklung wollen wir selbstverständlich fortführen. Zum Beispiel, indem die Individualisierung verstärkt gefördert oder die Verknüpfung der drei Lernorte intensiviert wird. Noch vor den Sommerferien werden wir eine breite Evaluation des Fernunterrichts durchführen, um die wichtigsten Erfolgsfaktoren für die Zukunft zu ermitteln.
Am 8. Juni werden die Berufsfachschulen wieder geöffnet. Wie sieht der Unterricht der Abschlussklassen in den verbleibenden Wochen aus?
Die grösste Herausforderung für die Lehrpersonen wird wohl darin bestehen, die Lernenden auf den Übertritt in die Berufswelt vorzubereiten. Dieser wird nämlich aufgrund der zu erwartenden Rezession zusätzlich erschwert.