So wollen es die Tradition und die Statuten der Zieberlizunft Sigigen: An einem festgelegten Tag haben alle Zieberli-Baumbesitzer ihre geernteten Früchte der Zunft abzuliefern. Am letzten Donnerstag war es wieder soweit. Bei Toni Seeholzer trudelten an diesem herrlichen Herbstabend gegen 50 Baumbesitzer ein.
Laut Toni Seeholzer «hat der trockene Sommer und Herbst den Zieberlis überhaupt nicht geschadet. Sie ist eine wilde Pflanze und kann solche Abnormitäten sehr gut überstehen.» Es gibt aber einen ganz anderen Grund, warum es dieses Jahr eine Rekordernte geben könnte, erklärt der Zieberli-Experte. Und warum: «Im letzten Jahr gab es gar nichts zu ernten. Nach mehreren Tagen Frost im Frühling 2017 folgte eine Null-Ernte. Dies wirkte sich positiv auf die heurige Ernte aus. Bereits das Blühen im Frühling war eine Augenweide. Die Bäume waren prallvoll mit den kleinen weissen Blüten. Auch die Pflaumensägewespe konnte den Zieberlis in diesem Jahr nichts anhaben. Ich bin mir sicher, dass diese Faktoren in diesem Jahr zu einer absoluten Rekordernte führen werden. Die Bäume waren so behangen, dass es fasst aussah wie in einem Rebberg voller Trauben. Die Zieberlis sind dieses Jahr rund drei Wochen früher reif. Sie sind auch eher weicher und gelber als andere Jahre. Und ja, die Qualität ist dieses Jahr optimal.» Guter Schnaps ist somit ein Muss? «Ja, klar», schmunzelt Toni Seeholzer und betont: «Das Rohmaterial ist entscheidend, und das ist dieses Jahr von hervorragender Qualität. Klar muss auch der Schnapsbrenner seinen Beitrag zu einem schlussendlich guten Produkt beitragen.
Der Anbau von Zieberlis hat auf dem Sigigerberg eine lange Tradition. Früher trug die Gegend um die Bruderklausenkirche gar den Namen «Zieberliberg», weil hier diese Frucht besonders gut gedieh. Der Ruswiler Volkskundler Kurt Lussi ging im Jahre 1992 im Auftrag der Zunft dem Begriff Zieberli näher auf den Grund. «Der Obstbaum mit den schneeweissen Blüten und kugeligen Früchten wurde besonders im Westen Deutschlands kultiviert, punktuell wie etwa in Luzern auch in der Schweiz.» Laut Toni Seeholzer halten heute gegen 50 Baumpfleger Zieberlibäume, insbesondere in Sigigen, aber auch in der Umgebung. Im Zunftgesetz heisst es: «Es ist eine Ehre, einen Baum zu pflegen, es ist eine Pflicht, die Früchte der Zunft abzugeben!»
Toni Seeholzer verriet anlässlich der Zieberlipflückete, dass von seinen Hochstammbäumen deren fünf noch nicht geerntet worden sind. «Wir wiederholen einen Versuch, den wir schon vor zwei Jahren durchgeführt haben. Die Zieberlis lassen wir an den Bäumen gefrieren, ähnlich wie bei den Trauben (Eiswein). Die Früchte werden dann erst Ende November abgelesen.» Toni Seeholzer rechnet somit mit kalten Temperaturen bis im November? «Ja, das hoffen wir natürlich. Der Schnaps als Endprodukt wird dann eher feiner», hofft Seeholzer. «Zwar geht durch die verspätete Ernte der Zieberlis ein Teil verloren. Auch ein Herbststurm wäre für die Früchte nicht erträglich. Aber diese Verluste müssen einfach in Kauf genommen werden. (Lacht) Mit der Rekordernte in diesem Jahr können wir dieses Risiko locker eingehen», betont Toni Seeholzer, der dieses Jahr bereits 83.9 Kilogramm Zieberli abgeliefert hat und sich, damit in der Rangliste auf dem fünften Platz eingliedert.
Bei einem spektakulären internen Zunftanlass lieferten die Baumpflegerinnen und -pfleger ihre Früchte ab. Mit dem Blick eines Sperbers auf die Waage gerichtet, gaben Thomas Hof-stetter, Rolf Hafner und Ronny Zimmermann die Erträge an das Rechnungsbüro mit Zunftpräsident Peter Duss und Hansjörg Müller weiter. Werner Grüter (Dieggringe 4) führt die Rangliste mit 209,1 Kilogramm an, während Daniel Utz (Hellbühlerstrasse 12) mit 0,8 Kilogramm das Schlusslicht bildete. Allerdings sind noch sieben Zieberli-Baumhalter mit einer Ernte von null Kilogramm in der Rangliste aufgeführt. Die Mutmassung von Toni Seeholzer zu Beginn des Anlasses, dass es eine Rekordernte absetzen werde, wurde gar übertroffen. Er rechnete mit etwa 1 200 Kilogramm. Insgesamt kamen 1 722,6 Kilo Zieberlis zusammen. Zusammen mit den Zieberlis, die im November gelesen werden, könnte die Ernte dieses Jahr gegen zwei Tonnen wiegen, spekuliert Toni Seeholzer.
Beim anschliessenden gemütlichen Beisammensein mit Bratwurst und Rösti feierten die Zünftler ausgiebig die Pflückete. Dazu gehörte auch die Übergabe des «gesetzlichen Anteils» an Zieberlischnaps an die Baumpflegerinnen und -pfleger, aufgrund der abgelieferten Menge im vergangenen Jahr. Ohne Anrecht auf eine Schnaps-Rückerstattung wurde den vier Zieberli-Züchtern Bruno von Rotz, Beat Brun, Peter Duss und Pius Buchmann auf einem Holzski ein «Versucherli» überreicht. Dies aufgrund dessen, dass sie vor einem Jahr keine Zieberlis abliefern konnten.
Auszug aus der Rangliste der Pflückete: Werner Grüter (Dieggringe 4, 209,1 Kilogramm); Herbert Hafner (Obergrüt, 165,4); Bruno Renggli (Flue 2, 118,9); Beat Schmidli (Charegstell, 98); Toni Seeholzer (Amsig 1, 83,9); Bruno von Rotz (Kirchstrasse 3, 81,7); Roland Schmidli (Postweg 2, 65,6); Herbert Erni (Malvenweg 4, 62,9); Susanne Zihlmann (Graubaum, 60,8); Thomas Hofstetter (Föhrenweg 2b, 58); Hanspeter Müller (Scharmis 2, 55,8); Jerry Prins (Sigigenstrasse 3, 53,9); Hansruedi Gloggner (Riede, 52,5); Markus Müller (Unterstäublig 2, 50,9). Weitere 33 Personen haben zwischen 49,5 und 0 Kilogramm abgeliefert. Die gesamte Rangliste ist unter www.zieberlizunft.ch einsehbar.